Ein Liter von dem goldschimmernden Arganöl kostet bis zu einhundert Euro und damit das Sechsfache des besten Olivenöls. Wenn überhaupt, ist es hierzulande nur in gutsortierten Feinkostläden erhältlich.
Liegt das daran, dass es so besonders ist, oder ist es einfach nur teuer?
In Küche und Kosmetik, für das Wohlbefinden und manchmal auch für Genesungsprozesse haben wir gelernt, verschiedene Pflanzenöle einzusetzen. Wir wissen Olivenöl zu schätzen, Schwarzkümmelöl und andere Sorten.
Seit einiger Zeit macht ein besonderes Öl aus Nordafrika von sich reden. Sterneköche schwören darauf, immer mehr Kosmetikhersteller verwenden es in ihren Produkten und um seine Wirkungen als Heilmittel haben sich inzwischen ganze Philosophien gebildet.
Wo kommt Arganöl her, was ist dran und drin und wie kann es uns nutzen?
Der „Baum des Lebens“
Um den Saft der Ölfrüchte ranken sich Mythen und Legenden, seit Menschen sie für sich entdeckt haben. Öl galt als Gabe der Götter und erhielt eine so hohe Wertschätzung, dass Herrscher damit zu Königen gesalbt wurden. Die alten Griechen wussten einen Olivenbaum auf Kreta besonders zu schätzen, unter dem der Göttervater Zeus zur Welt gekommen sein soll.
Dass die Berber, die schon vor 3000 Jahren das Gebiet des heutigen Marokkos besiedelt hatten, dem Arganbaum (Argania spinosa) womöglich auch Verehrung entgegenbrachten, darf vermutet werden. In der heißen, zum Teil unwirtlichen Umgebung ging es dabei vielleicht um praktischere Dinge als Göttermythen. Die alten Stämme erkannten den Wert der Bäume, die bis zu 450 Jahre alt werden können. Heute wissen wir, dass sie sicher bereits seit 80 Mio. Jahren dort wachsen. Ihre Wurzeln treiben sie bis zu 30m tief in die Erde, trotzen nahezu allen Witterungserscheinungen und vertragen Temperaturen bis 50 °C.
Die Berber sahen, dass sie mit ihrem Laub Ziegen, Schafe und andere Tiere ernähren. Irgendwann entdeckten sie die Möglichkeit, Öl aus den Früchten zu gewinnen. Der Baum mit dem sehr harten Holz überlebte nicht nur in den entbehrungsreichen Regionen, er spendete und spendet auch Leben. So erhielt er seinen Namen.
Heute ist die Region im südwestlichen Marokko die Einzige, in der noch Arganbäume wachsen. Sämtliche Versuche, sie woanders anzupflanzen, schlugen bisher fehl. Konsequenterweise hat die UNESCO 1998 das Gebiet zum Biosphären-Reservat erklärt, wodurch praktisch jeder einzelne Baum unter Schutz steht.
Arganöl wird das Gold Marokkos genannt. Doch bis es vom Schürfen zum Ertrag kommt, ist ein weiter Weg zurückzulegen.
Die Ernte der Früchte erfordert Geduld. Aufgrund der Schutzbestimmungen für die Pflanzen dürfen die Bäume weder geschüttelt noch die Früchte mit dem Stock abgeschlagen werden. Nur was auf natürliche Weise zu Boden fällt, wird eingesammelt. Erntezeit ist zwischen Juli und September. Für einen Liter Öl wird die Menge der Früchte von fünf Bäumen benötigt, also ca. 30kg.
Nach dem Sammeln trocknen die Früchte mindestens für drei Wochen in der Sonne, bevor das Fruchtfleisch leicht entfernt werden kann. Der Kern wird aus der Mandel gepult, die 16-mal härter ist als eine Haselnussschale.
Um den für die Küche typischen Geschmack und das nussige Aroma zu erzielen, werden die Kerne für wenigstens eine halbe Stunde über dem Feuer geröstet. Geschmacklich neutral wird das Öl, wenn die Kerne ungeröstet zum Mahlen kommen. Es ist schwere Handarbeit, die Kerne in den dafür vorgesehenen Steinmühlen zu zerkleinern. Das Ergebnis wird mit Wasser so lange angereichert, bis aus dem Brei das Öl herausgepresst werden kann.
Der lange Weg bis zum flüssigen Gold Marokkos liegt in der Zeit, die vergeht, bevor das Produkt fertig ist, abgefüllt und verschickt werden kann.
Verarbeitet werden lediglich natürlich vorkommende Rohstoffe, die durchaus das Etikett Bio verdienen.
Hier kommt fast ausschließlich das Öl aus den gerösteten Kernen zum Einsatz. Köche wie auch Laien schwören auf das nussige Aroma und weisen auf die Vorzüge des marokkanischen Goldes hin. Obwohl viele meinen, dass es seinen typischen Geschmack auch durch Erhitzen nicht verliert, gehen die Empfehlungen dahin, es erst kurz vor Ende der Garzeit den Speisen zuzugeben.
Am besten ist die Verwendung für kalte Gerichte wie Salate.
Über die Langzeitwirkung einer konsequenten Ernährung mit Arganöl gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Es ist jedoch in jedem Fall bekömmlich und verträglich.
Die nachgewiesenen Inhaltsstoffe wie Antioxidantien, ungesättigte Fettsäuren und Vitamin E sind ein Beitrag zur ausgewogenen Ernährung. Wenn auch die Zusammensetzung manch andere Öle wie Erdnussöl nicht übertrifft, ist sie mindestens gleichwertig. Zwei Esslöffel Arganöl täglich pur verabreicht sollen das allgemeine Wohlbefinden fördern.
Die Berber verwenden das Öl seit jeher als Lotion für Haare, Gesicht, Hände und den ganzen Körper. Die Sorte aus den ungerösteten Kernen fühlt sich gut an auf der Haut, lässt sich leicht verteilen und zieht schnell ein. Das Öl wirkt rückfettend und feuchtigkeitsspendend. Aus der täglichen Kosmetik ist es nicht wegzudenken.
In den Ländern, in die Arganöl exportiert wird, kommen immer mehr damit angereicherte kosmetische Erzeugnisse auf den Markt, so dass inzwischen ganze Produktlinien entstanden sind. Die Wellnessqualitäten des Öls zeigen sich in Cremes, Lotionen, Haarwaschmitteln, Duschgels und anderen Pflegeprodukten.
Die Antioxidantien machen es zum wertvollen Bestandteil von Antiaging-Produkten, Vitamin E wirkt in Haarpflegeprodukten, indem es für Spannkraft, Glanz und Fülle sorgt. Es soll sogar nachlassenden Haarwuchs wiederbeleben.
Das ist es ganz sicher nicht. Seine gesundheitsfördernde Wirkung darf aber als nachgewiesen gelten.
Auch hier blicken die Berber auf Erfahrungen und Erkenntnisse aus vergangenen Jahrhunderten zurück. Bei uns zulande können wir dieses Wissen erst nach und nach durch die Verwendung des Öls nachvollziehen. Ein Blick auf die Bestandteile rechtfertigt aber durchaus positive Erwartungen.
Zu den im Arganöl nachgewiesenen Bestandteilen gehören Antioxidantien, ungesättigte Fettsäuren, Vitamin E, Phytosterine und weitere.
Einzeln oder in Kombination gelten diese Inhaltsstoffe des Öls als entzündungshemmend, beruhigend und zellerneuernd. Sie pflegen die Gelenke und tun wohl bei Arthritis. Ebenso wurden bereits Erfolge bei der Behandlung von Neurodermitis berichtet.
Arganöl regelt die Darmflora und soll unterstützend wirken bei der Regulierung des körpereigenen Cholesterins.
Die Aussagen über den erfolgreichen Einsatz von Arganöl bei Krebsbehandlungen konnten bisher nicht nach schulmedizinischen Maßstäben nachgewiesen werden.
Die Kosten des aufwendigen Herstellungsprozesses sind unbestritten. Ist es nicht gut zu wissen, dass die tägliche, schwere Handarbeit der Berberfrauen gut entlohnt wird? Vom finanziellen Ertrag ihrer Arbeit bei der Arganöl-Produktion erhalten sie so viel, dass sie und ihre Familien davon gut leben können.
Die Zusammensetzung des Öls im Vergleich zu anderen Pflanzenölen erscheint zunächst wenig spektakulär. Natürlich ist die Kombination eine Besonderheit. Es bleibt abzuwarten, inwieweit dadurch positive Effekte in der Heilkunde erzielt werden können.
Für den einzelnen ist die selbstgemachte Erfahrung das Wichtigste, und die lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Allgemeingültige Aussagen können erst nach Studien getroffen werden. Bis es soweit ist, muss man damit vorsichtig sein.
Und auch für die Küche gilt, es ist alles eine Frage des eigenen Geschmacks. Die einen werden es mögen, die andere bei ihren Favoriten bleiben oder anderes entdecken.
Eine Empfehlung, Arganöl bei sich bietender Gelegenheit zu probieren, kann nicht verkehrt sein. Allein deswegen, um sich damit ein eigenes Urteil zu bilden.